Ich habe Kunst schon immer geliebt. Ganz klassisch, Farbe auf Leinwand: Schönheit. Mit konzeptioneller Kunst kam ich erst später in Berührung. Sie hatte es deutlich schwerer bei mir. Das schnell Erfassbare fehlte, ebenso die Ästhetik. Konzeptkunst setzt Wissen voraus, fordert Auseinandersetzung, wirkt dafür aber oft nachhaltiger – im Sinne von Nachhall. Der Roman „Fest der Folgenlosigkeit“ tut das auch. Ganz spontan griff ich zu dem Cover, dessen bunte Druck-Rasterpunkte mich an meine Ausbildung in der Mediengestaltung erinnerte, ebenso wie das „Word Art“-Fähnchen mit dem Titel darin. Eine Betrachtung von Kunst und Nachhaltigkeit wurde im Klappentext versprochen, „Gibt es ökologische Kunst? Und wie sieht ein Leben ohne negative Folgen für andere aus?“ Spannend, oder? Gepackt hat mich das Buch im Anschluss ziemlich schnell und ich habe es innerhalb eines Abends verschlungen. Es geht um Florian, einen Kurator. Überhaupt, ich LIEBE kuratierte Dinge, und kuratiert wird überall. Es ist schön, sich auf anderer Leute guten Geschmack verlassen zu können. In einer Welt des Überflusses bleibt uns zur Orientierung ja schließlich auch gar nichts anderes übrig. Jede*r Buchblogger*in stellt die eigen kuratierten Lieblingsbücher vor, jedes Magazin stellt thematisch passende Seiten mit neuen Produkten zusammen. Und hier kommen wir auch schon zum Problem: ist das WIRKLICH der eigene Geschmack der Verfassenden, oder steckt hier das ein oder andere Werbeinteresse dahinter, der ein oder andere Anzeigendeal im Hintergrund? Ein Schelm, wer sich hier Böses denkt, wenn sich auf den kuratierten Seiten mit Produktzusammenstellungen oft die gleichen Marken finden wie auf den werblichen Magazinseiten weiter hinten im Heft. Und in „Fest der Folgenlosigkeit“ habe ich gelernt: in der Kunstszene ist das mitnichten anders. Kunst möchte frei und unabhängig sein, doch wie soll das ohne finanzielle Mittel von statten gehen? Wie funktioniert der Hintergrund der Kunstszene mit all ihren Förderungen, Stipendien, seiner Auftragsvergabe? Braucht Kunst einen Sinn und Zweck, oder darf – und soll! – Kunst folgenlos bleiben?

„Kunst im Kapitalismus ist doch auch nur dazu da, Leute (sic!) wie uns irgendeine Beschäftigung zu geben, bei der wir nicht allzu negativ auffallen. Spielwiese für Verrückte.“

Der Autor Friedrich von Borries ist selbst sehr verstrickt in allerlei Institutionen. Ich kann nach der Lektüre nicht ganz klar sagen, wie und wo genau, und auch Wikipedia lässt mich ein wenig verwirrt zurück, aber vielleicht entzieht er sich, genau wie sein Buch, auch einfach einer klaren Zuordnung. Und das, obwohl wir von Borries im Buch recht gut kennenlernen: in die Romanpassagen lässt er immer wieder in loser Folge seine eigenen Gedanken um die behandelten Themen einfließen. Das empfinde ich selbst schon fast wieder als Konzeptkunst in Buchform und habe etwas ähnliches noch nicht gelesen. Es hat mir sehr gefallen, wie er Einblicke in seine Gedanken und die Entstehung des Buches gibt, wie er Corona thematisiert (und einige Seiten zuvor noch eine Akteurin davon sprechen lässt, dass erst eine Krise „wie ein Virus“ die festgefahrene (Wirtschafts-)Welt reformieren wird. ) Und wie wir nun leider rückblickend sehen können: nein, auch das hat nicht gereicht.), wie er mitten im Buch aufgrund von Feedback anfängt zu gendern.

Sie war sich sicher, dass Stohmann sich nicht wirklich für Kunst interessierte. Für ihn was das Sammeln ein rein strategisches Instrument gewesen. Als sozialer Aufsteiger, der in eine reiche Industriellenfamilie eingeheiratet hatte, wollte er durch Kunstkennerschaft Akzeptanz gewinnen, dazu gehören. Teure Autos kaufen, das konnte jeder. Sich mit Kunst auskennen, war etwas anderes.

Trotzdem ist das Buch ein wenig klassistisch. Wer zu Kunst oder Nachhaltigkeit gar keinen Bezug hat, wird hier aufgrund des Fachjargons verschreckt. Beim Lesen kam ich mir die ganze Zeit ein bisschen wie eine Betrügerin vor, die so tut, als würde sie diese Seiten in der Zeitung lesen, die mit „Feuillton“ betitelt sind, was eigentlich auch nur „Vermischtes“ heißt. Ich mag wie gesagt Kunst, oder vielleicht auch nur Ästhetik, mag Bilder und Konzepte, aber für Galerieeröffnungen und ähnliches ist mein Snobismus wohl zu klein und meine Garderobe nicht elegant genug. Das ist ein weniger schönes Gefühl beim Lesen, auch wenn ich das Buch an sich sehr interessant finde.

„Stell dir vor, es ginge nicht immer um „mehr, mehr, immer mehr“, nicht um Erfolg, sondern darum, keine Spuren zu hinterlassen.“

Alles in allem für mich ein Buch, dass man in Gesellschaft lesen und diskutieren sollte, perfekt für einen Buchclub. Sonst bleibt man nach der Lektüre zurück mit vielen Impulsen, spannenden Gedankenanfängen und der unbedingten Lust, das Gelesene zu besprechen.  

Fest der Folgenlosigkeit von Friedrich von Borries, erschienen 2021 bei suhrkamp nova | selbstgekauft

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