Wisst ihr noch, damals, mit 16 oder 17 Jahren, als wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen haben, um atemlos die drei Bände der „Tribute von Panem“ zu verschlingen? Die sozialkritische Buchreihe rund um die 13 Distrikte mit dem zentralen Mittelpunkt der technologisierten Version von „Brot und Spielen“ hat meine Liebe zu Dystopien damals geweckt. Frisch erschienen ist das Prequel der Reihe: „Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange“. Bis heute sind bedrohliche Zukunftsszenarien eigentlich mein Lieblingsgenre – eigentlich, denn aktuell leben wir selbst in einem….

Brot & Spiele: wie konnte es überhaupt soweit kommen?

panem et circenses, deutsch: Brot und Spiele, ist nicht nur eine geflügelte Bezeichnung. Der Ausdruck geht zurück auf die Gladiatorenkämpfe, die die Machthaber im alten Rom zur Belustigung des gemeinen Volkes veranstalteten. Es war gang und gäbe, das Volk und somit die Wähler mit Brot und Leckerein zu bestechen. Noch heute bezeichnen „Brot und Spiele“ die Strategie politischer oder industrieller Machthaber, das Volk mit Wahlgeschenken und eindrucksvoll inszenierten Großereignissen von wirtschaftlichen oder politischen Problemen abzulenken. Tja, da fragt man sich doch, wo Brot und Spiele aktuell abgeblieben sind 😉 ein wenig Ablenkung vom Status Quo täte uns sicher allen gut.

2020: das Jahr der Krise(n)

Uns lenkt der Kampf mit dem Virus aktuell vom anderen, drängendsten Problem unserer Zeit ab: dem Klimawandel. Wie so viele Dystopien legte in Panem ein nicht näher beschriebener Krieg um Ressourcen und der anschließende, allumfassende Hunger den Grundstein für alle weiteren Gräuel, die folgen sollten.
Hunger und Ressourcenknappheit sind ein Problem, mit dem weite Teile der Weltbevölkerung schon jetzt und schon lange zu kämpfen haben. Wir, im gepamperten Europa, bekommen davon nicht allzu viel mit. Und das, obwohl wir als Globalisierungsgewinner die Wurzel dieses Übels sind.

All‘ diese Dinge schießen mir durch den Kopf, wenn ich Dystopien lese. Ich mache mir viele Gedanken darüber, was wir tun können, um es nicht soweit kommen zu lassen. Eine persönliche Rückbesinnung auf Regionalität ist ein Anfang. Urlaub machen in Europa, Obst und Gemüse aus der Region und zum natürlichen Erntezeitpunkt essen. Viel zu schnell haben wir alle uns an Fernreisen und Erdbeeren im Winter gewöhnt. Die aktuelle Krise ist eine große Chance, um sich selbst zu reflektieren und die eigenen Bedürfnisse wieder ein Stück zurück zu nehmen, zum Wohle aller und der Erde. Es ist unsere Aufgabe – denn die Generation vor uns hat versagt – eine Welt zurückzulassen, in der ein Leben, wie wir es kennen, nach wie vor möglich ist.

Panem X ~ Das Lied von Vogel und Schlange

In Panem ist dieses Leben schon lange Vergangenheit. Ein brutalitäres Militär-Regime ist an der Macht. Die Menschen sind nur noch so viel wert wie ihre Arbeitskraft und die Ressourcen in den Distrikten, aus denen sie stammen. Getreide, Fischerei, Stahl…

Ehrgeiz treibt ihn an. Rivalität beflügelt ihn. Aber Macht hat ihren Preis.

In diesem Setting lernen wir ihn kennen, den jungen Coriolanus Snow. Er ist uns bereits als Präsident Snow bekannt, zu dem er, Jahre später, aufsteigen wird. Als Rivale der Protagonistin Katniss haben wir kein gutes Haar an ihm finden können – er ist hinterlistig, argwöhnisch, gefährlich.
Es ist der Morgen der Ernte der zehnten Hungerspiele. Im Kapitol, das viel weniger glanzvoll und von Kriegsschäden gezeichnet ist, hat man sich zum ersten Jubiläum der Hungerspiele etwas besonderes ausgedacht. Jeder Tribut, der in der Arena ums Überleben kämpft, bekommt einen Mentor aus dem Kapitol zur Seite gestellt. Neu ist auch, dass Zuschauer Wetten abschließen dürfen und den Ausgang der Spiele durch Sponsorings beeiflussen können.
Coriolanus ist 18 Jahre alt. Seine einst mächtige Familie ist pleite und lebt nur noch vom alten Glanz ihres Namens. Seine einzige Chance auf eine rumreiche Zukunft ist es, als Mentor mit seinem Tribut die Spiele zu gewinnen. Die Chancen sieht er gering: sein Tribut ist ein Mädchen. Und das auch noch aus Distrikt 12 – tiefer kann man nicht fallen. Coriolanus ist verzweifelt, und er ist ehrgeizig. So setzt er alles daran, zu gewinnen, obwohl auch seine Zweifel immer weiter genährt werden, ob die Hungerspiele gut und richtig sind…

Ein Teenager. Ein Zweifler. Einer, der sich entscheiden muss: rebellieren oder funktionieren? Ich spoilere an dieser Stelle natürlich nicht, aber die meisten von uns wissen bereits, was seinen Charakter in der Panem-Triologie auszeichnete.

Mich jedenfalls konnte das über 600 Seiten starke Prequel „Das Lied von Vogel und Schlange“ absolut fesseln und in seinen Bann ziehen. Obwohl ich die Panem-Triologie sowieso für jedes Alter geeignet finde, ist „Panem X“ noch einmal erwachsener. Nicht nur, dass der Roman aus der Sicht eines Antihelden, eines Täters, statt eines Opfers, erzählt wird, verleiht ihm mehr Tiefe und Tragweite. Auch die philosophischen Abzweigungen zu Jean Jaques Rousseau und Thomas Hobbes animieren dazu, sich selbst weiter zu bilden und Fragen zu stellen. Wer sich beim Lesen der Triologie wütend fragte, warum keiner bisher etwas sagte, tat oder anderweitig rebellierte, findet hier seine Antwort…

Suzanne Collins - Panem X: Das Lied von Vogel und Schlange

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